Wer von uns kennt das nicht? Es gibt sie, diese Filme aus der Kindheit oder Jugendzeit, die sich tief ins Gedächtnis eingegraben haben und im Lauf des Lebens sich immer wieder auftauchen ohne, dass man sie seitdem gesehen hätte. So geht es auch mir als regelmäßiger Verfasser der Schachartikel für den SC Oranienburg. Mir hatte es damals unter anderem die Bud Spencer und Terence Hill- Filmreihe angetan. Allen voran der Film „Vier Fäuste für ein Hallelujah“, der mir immer noch ein leichtes Grinsen im Gesicht verpasst. Ein Ort der Besinnung und Nächstenliebe wird zum Umschlagplatz für illegale Moneten und einer wüsten Prügelei. Das Sakrale und Profane in einem allzu irdischen Duell um die Vorherrschaft. Vielleicht kann man diese Analogie auch auf den 3. Spieltag der Regionalliga Nord übertragen, denn beim Schach kann es knallhart zugehen, wenn auch nicht unbedingt physisch rabiat, so doch zumindest mental. Und die Mitglieder des SC Oranienburg II kamen mit dem profanen Ansinnen nach Potsdam, ausgerechnet am 1. Advent, ihren Gegnern die sakralen Mannschaftspunkte abzujagen. Ob es geklappt erfahrt ihr hier:
Pünktlich um 10Uhr, bei herrlichem Sonnenschein, lauteten die Partie wie folgt:
Brett I: Rainer Witthuhn (SC-O) vs. Michael Fuhr
Brett II: Martin Kummer vs. Christopher Luthardt (SC-O)
Brett III: Stefan Tschirswitz (SC-O) vs. Günter Tüngethal
Brett IV: Menno Feldhuis vs. Stefan Sonsalla (SC-O)
Brett V: Jan Wolff (SC-O) vs. Andreas Hohloch
Brett VI: Sven Starke vs. Aurimas Milasevicius (SC-O)
Brett VII: Eckardt Gesierich (SC-O) vs. Tigran Kramer
Brett VIII: Svetlana Grinman vs. Wolfgang Tschirswitz (SC-O)
Brett I: Die kürzeste Partie des Tages fand am ersten Brett statt. Unser Rainer bekam es mit Michael Fuhr vom PSV Mitte zu tun und sollte diesen von Anfang an beschäftigen. Die Eröffnung war kaum vorüber, da hatte Rainer schon mehrere Bauern gewonnen. Gut für ihn, denn er konnte im Mittelspiel den Abtausch der Damen erzwingen wovon sein Gegner so demoralisiert wurde, dass er ad hoc aufgab. 1:0 für den SC Oranienburg II.
Brett VII: Dort spielte Eckardt Gesierich gegen den noch jungen Tigran Kramer. Die Eröffnung verlief für beide Seiten relativ ausgeglichen. Keine der beiden Spieler erlangte einen Vorteil. Im Mittelspiel entdeckte Ecki jedoch eine schöne Kombinationsmöglichkeit auf dem Brett und konnte mit dieser einen Bauern gewinnen. Tigran suchte sein Heil im Abtauschen der restlichen Figuren, um Eckis Mehrbauern wiederzugewinnen und übersah, dass das in der Stellung gar nicht möglich war. Eckis Sieg war also nur noch Formsache und sein Kontrahent gab folgerichtig in dieser Stellung auf. Neuer Zwischenstand 2:0.
Währenddessen wurde noch an Brett V gespielt. Dort spielte Jan Wolff mit weiß gegen den Potsdamer Andreas Hohloch. Jan kam mit viel Druck aus der Eröffnung und stand klar auf Gewinn. Doch die technische Umsetzung dieses klaren Vorteils sollte ihm im Mittelspiel nicht so recht gelingen. Die Folge war, dass sein Gegner die Stellung aufgrund Jan´s Fehler größtenteils wieder ausgleichen konnte. Jedoch nicht ganz, denn jetzt begann der, zwischenzeitlich stark performende, Spieler von PSV-Mitte Fehler zu machen. Und dieses Mal ließ ihn Jan nicht mehr entkommen. Im Endspiel verwandelte Jan eine klar bessere Stellung in einen Brettpunkt für unsere Mannschaft. 3:0 für Oranienburg II.
Mit diesem Vorsprung im Rücken sah es für uns schon mal ganz gut aus. Es fehlten uns nur noch 1 ½ Brettpunkt zum Mannschaftssieg und an Brett VI spielte Aurimas gegen Sven Starke, um den Vorsprung weiter auszubauen. Aurimas mit schwarz entschied sich mit schwarz für die skandinavische Verteidigung und die Partie verkomplizierte sich bereits ab dem 7.Zug zu einer hochkomplexen Stellung. Aufgrund dessen verbrauchten beide Seiten ziemlich viel Zeit für ihre Züge. Logischerweise bedeutete das für beide Spieler ab einem gewissen Zeitpunkt die gefürchtete Zeitnot. Also verflachte die Partie zusehends, da beide sich damit begnügten die Figuren abzutauschen. Als für beide Spieler nur noch wenig Zeit auf der Uhr war, einigten sie sich auf ein leistungsgerechtes Remis. Zwischenstand 3 ½ : ½
Brett VIII wurde durch Wolfgang Tschirswitz, mit schwarz spielend, und Svetlana Grinman besetzt. Svetlana spielte vor Kurzem bei den Falkenseer Open und erreichte ein Remis. Wolfgang war also vorgewarnt. Trotzdem gelang es der Potsdamerin mit dem Damengambit massiven Druck auf Wolfgangs Königsflügel auszuüben. Ein Umstand, der seine Rochade verzögerte. Als er dann doch rochierte und den König auf der H-Linie zu verstecken versuchte, zog die mutig spielende Potsdamerin nach und bedrohte Wolfgangs Position mittels Dame und Läufer auf h7. Doch Wolfgang fand ein Motiv welches seine schwierige Stellung nachhaltig entspannte. Er Konnte erst die Türme abtauschen und dann den aktiven aber ungedeckten Läufer Svetlanas gewinnen. Mit der Mehrfigur im Rücken suchte Wolfgang die Damen zu tauschen welches Svetlana ablehnte. Dies gab jedoch Wolfgang die Gelegenheit nicht nur seine Stellung zu verbessern und mehrere Bauern einzusammeln, sondern auch den gegnerischen König unter Druck zu setzen. Irgendwann konnte Wolfgang mittels eines Schachs den Damentausch erzwingen. Nun war die Stellung für Svetlana aussichtlos und sie gab kurz danach auf. 4 ½ : ½ .
Mit diesem Sieg war der Sieg von SC Oranienburg II gewiss, jetzt war nur noch die Frage wie hoch er ausfallen würde. An Brett IV stritten Stefan Sonsalla und Menno Feldhuis spielerisch genau um diese Frage. Stefan spielte die Nimzowitsch-Indische Verteidigung gegen das Damengambit seines Kontrahenten. Immer wieder musste Stefan die Drohungen seines Gegners parieren. Da er aber selbst sich recht gut mit dem Damengambit auskennt, wusste er die Drohungen gekonnt zu parieren. Es brachte ihm zwar kein Stellungsvorteil, jedoch auch keinen Nachteil. Ab dem 20.Zug wurde das Spiel übersichtlicher, da beide Spieler zahlreiche Figuren abtauschten. Die Zeit auf der Uhr saß beiden im Nacken und im Endspiel war immer noch kein klarer Vorteil für einen der beiden Spieler zu erkennen. Deshalb einigten sich beide Seiten im 37. Zug, nach zwei Stellungswiederholungen, auch auf ein Remis. Neuer Stand. 5:1.
Die nächste Gelegenheit für die Potsdamer endlich einen Sieg an diesem Tag einzufahren, war an Brett II, doch unser Christopher hatte etwas dagegen. Er kam besser entwickelt aus der Eröffnung, konnte diesen Vorteil nicht in Handfestes ummünzen. Das Mittelspiel gestaltete sich dann ausgeglichen für beide Seiten. Doch plötzlich unterlief Chris ein fast folgenschwerer Fehler, der seine Stellung erheblich verschlechterte. Sein Gegner probierte alles, um Chris unter Druck zu setzen, doch dieser wehrte sich mit allem was er aufzubieten hatte. Im Endspiel angekommen war die Stellung dann wieder ausgeglichen und Martin Kummer hatte einigen Kummer mit der Zeit. Er hatte nämlich nur noch eine Minute für 9 Züge auf der Uhr und einigte sich deshalb auch auf Remis. 5 ½ : 1 ½ .
Die letzte und auch gleichzeitig längste Partie des Tages fand an Brett III statt. Dort spielten Stefan Tschirswitz und Günter Tüngethal gegeneinander. Stefan eröffnete mit d4 und Günter fand die richtigen Züge gegen Stefans Eröffnung. Die Partie war bis zum 17. Zug relativ ausgeglichen, doch dann unterlief Stefan ein Fehler, der es Günter ermöglichte Stefans Bauernstruktur am Königsflügel zu schwächen. Der Potsdamer attackierte im weiteren Verlauf genau diese Position. In genau dieser Situation unterlief Stefan ein weiterer Fehler. Er fasste die falsche Figur an und musste nach dem Grundsatz: „Berührt, geführt.“ einen wesentlich schlechteren Zug machen, als er vorhatte. Ein Zug der ihn eine Qualität und 2 Bauern kostete. Ein Grund aufzugeben? Stefan dachte gar nicht daran und holte sich im weiteren Verlauf die verlorenen zwei Bauern wieder. Doch im Endspiel mit einer Qualität weniger zu spielen war für ihn kein Zuckerschlecken. Es hieß nun zwei Türme von Günter gegen Turm und Läufer von Stefan. Der Potsdamer zog die Schlinge immer enger und nagelte Stefans König sowie Turm zuerst auf der Grundlinie fest und zog dann seine zwei verbliebenen Bauern vor. Doch Stefan konnte dank eines Freibauern und seines vermeintlich unterlegenen Läufers die Stellung so stabilisieren, dass Günter trotz Stefans eingeschränktem Bewegungsmöglichkeiten einfach nicht durchkam. Als Stefan nur noch 5 Minuten auf der Uhr hatte und Günter seinen Turm von der B-Linie abzog, ließ Stefan seinen Freibauern, der sich auf eben dieser B-Linie befand, von der Leine und war ein Feld vor der Umwandlung. Nun war die Stellung weitestgehend Remis und Günter sah ein, dass er an dem Tag keinen Sieg erringen werden würde. Eine ganz schön knappe Kiste für Stefan der nur noch knappe 4 Minuten auf der Uhr hatte und froh war, dass er sich aus einer eigentlich aussichtlosen Lage wieder zurückkämpfen konnte.
So hieß es am Ende 6:2 zwischen SC Oranienburg II und dem PSV-Mitte IV. Es war für uns ein sehr erfolgreicher Spieltag, an dem keiner von uns Spielern am Brett den Kürzeren gezogen hatte, auch wenn die ein oder andere Partie zugegebenermaßen glücklich endete. Acht Bretter für ein Hallelujah am Ende, weil ungeschlagen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Es spricht für die einzelne Form der anwesenden Spieler aber auch für den Kampfgeist dieser Mannschaft, die sich in dieser Saison sicherlich nicht vor ihren Gegnern zu verstecken braucht. In diesem Sinne wünschen wir vom SC Oranienburg euch eine schöne (Vor)-Weihnachtszeit und einen guten Ausklang des Jahres 2024. Wie es im neuen Jahr weitergeht erfahrt ihr auf unserer Webseite oder unter Facebook Schachclub Oranienburg. Also hinterlasst einen „Like“ für weitere Informationen.
Stefan Tschirswitz und die Schachfreunde vom SC Oranienburg